Erziehung des Belgiers
"Dem Hunde, wenn er gut erzogen,
wird selbst ein weiser Mann gewogen."
Goethe, Faust I
Erziehung und Ausbildung
darf man nicht mit einander verwechseln. Die
Grunderziehung ist
eine Notwendigkeit, ohne die
ein reibungsloses
Zusammenleben zwischen
Mensch und Hund nicht funktionieren kann. Sie
beginnt bereits
am ersten Tag, wenn der Welpe ins neue Heim kommt
und
sollte bei einem
feinfühligen Hund wie dem Belgier zwar konsequent aber
doch behutsam, auf
liebevolle, spielerische Art durchgeführt
werden. Er
braucht ein
unbeschwertes Junghundstadium mit viel
Zuwendung. Die
strengere Ausbildung,
die z.B. die Begleithundprüfung als Ziel hat, beginnt
beim Belgier dagegen frühestens
mit 8 Monaten.
Welpenstunden, Kontakte
zu anderen Hunden und vor allem viel Aktivität mit
dem Hundeführer
ist momentan wichtiger als eine korrekte
Ausbildung.
Sicher kann man
jetzt schon kleine Kommandos wie „Sitz“, „Platz“
oder
„Hier“ einbauen. Ist die
Bindung und das Vertrauen erst einmal vorhanden,
ist die eigentliche „Arbeit“
kein Problem mehr.
Der Belgier ist eine anspruchsvolle
Hundepersönlichkeit. Er verlangt Respekt,
ist selbstbewusst,
nicht unterwürfig. Belgier sind intelligente
Hunde mit
einer entsprechenden
Portion Eigensinn. Sie bemerken jede Schwachstelle
ihres Erziehers
mit einer unfehlbaren Sicherheit und nützen
diese sofort
weidlich aus. Hier
ist der Hundehalter mit all seiner Konsequenz, gepaart
mit Geduld und
Einfühlungsvermögen, gefordert. Der Hund soll
auf sein
Verhalten hin für
ihn möglichst vorhersehbare Reaktionen erhalten.
Es ist
nicht wie bei uns
Menschen, wo man sich auch mal auf eine Ausnahme oder
einen Kompromiss
einigen kann. Für den Hund gibt es nur 'ja' oder
'nein'.
Etwas was dazwischen
liegt, kann er nicht einordnen, es verwirrt ihn. - Und
wir outen uns
als reichlich unberechenbare, unzuverlässige
Rudelführer.
Hundeerziehung schließt
Selbsterziehung mit ein, denn ein Hund ist immer
nur so gut wie sein
Hundeführer. Gerade dieses macht sie für Anfänger
so
anstrengend. Wenn
etwas schief geht und der “blöde Hund mal wieder
gar
nichts kapiert”,
dann liegt die Schuld bestimmt beim Zweibeiner
und wir
sollten überdenken,
ob der Hund überhaupt verstehen konnte,
was wir da
verlangt haben.
Denken Sie daran, dass der Hund auch Unausgesprochenes
"wörtlich"
nimmt, d.h. Signale, die über
Körpersprache oder Geruch
vermittelt werden!
Wir können unseren Hund nicht belügen. Er liest unsere
Körpersprache wie
ein offenes Buch, weiß unsere Bewegungen und unsere
Gestik zu
deuten. Er kennt unseren Körpergeruch
in allen möglichen
Situationen und
kann ihn interpretieren. Er versteht kein
Wort, das wir
sprechen, aber er erkennt an
unserer Stimme und an unserem Tonfall was wir
wollen. Auch schlechte
Manieren des Hundes liegen immer begründet
im
Hundeführer. Es
sollte jedem Hundebesitzer klar sein, dass eigentlich er an
sich arbeiten muss, denn
der Hund verhält sich so, wie er es gelernt hat. Der
Hund ist, was der Mensch aus
ihm macht!
Der Belgier ist
ein ausgesprochen intelligenter Hund mit einer sehr guten
Lernfähigkeit und Lernbereitschaft.
Mit Zuwendung, Leckerchen und Spiel als
Motivation ist ein
Belgier gut erziehbar. Befehle sollten leise, aber bestimmt
gegeben werden, immer
mit den gleichen Worten oder Gesten, und vom Hund
ohne jedes Zögern
sofort beim ersten Mal befolgt werden. Der Hund
muss
sich einprägen, dass
die Befehle seines Herrn weder Bitten noch Appelle sind
oder der Beginn
einer Verhandlung, sondern vielmehr Anweisungen,
die
auf der Stelle auszuführen
sind.
Der ideale Zeitpunkt den Hund
zu korrigieren ist bereits, wenn er gerade erst
daran denkt, ein
unerwünschtes Verhalten zu zeigen. Der
Hund erlebt so
einen allwissenden Rudelchef,
den man nicht austricksen kann. Auch wenn er
das unerwünschte
Verhalten bereits zeigt, kann man noch
eingreifen. 2
Sekunden danach
ist es dagegen schon zu spät. Als Verbot reicht
meist ein
scharf gesprochenes
"Nein" oder "Pfui", das das Knurren ersetzen soll und
evtl. noch durch
Händeklatschen verstärkt wird. Anschließend kann
man in
ein drohendes Erstarren verfallen
indem man die Hände in die Hüften stemmt
(sich groß macht),
den Hund scharf ansieht und den Blickkontakt
so lange
aufrecht erhält,
bis der Hund wegsieht. So gibt
man seinen Befehlen
Nachdruck und vermittelt
einen hohen Sozialstatus, ohne Gewalt anwenden
zu müssen. Besonders
widerborstige Lümmel kann man zurechtweisen, indem
man ihnen wortlos
über die Schnauze greift. Auch ein Spritzer
aus einer
kleinen Wasserpistole zeigt
nachhaltige Wirkung.
Eine besonders
elegante Methode zur Festigung und
Absicherung der
Gehorsamsübungen
sind Belohnungen aus der Situation heraus. Stichwort:
"Nichts ist umsonst".
Die einfache Regel lautet: "Befolge die Befehle und du
kriegst die guten Dinge,
die Hunde mögen. Befolgst du sie nicht, kriegst du
sie auch nicht."
Aber Achtung: man muss von Anfang an
wirklich die
Kontrolle über
den Hund oder das Ziel seines Begehrens haben. Er darf sich
nicht durch Ungehorsam selbst
belohnen können. Bei dieser Methode tritt der
Erzieher nicht mit
den Ablenkungen und Begehrlichkeiten des
Hundes in
Wettstreit sondern nutzt
sie aus. Also z.B. erst ein "Sitz" verlangen, bevor der
Hund in
den Garten darf. Fortgeschrittene können
auch ein "Komm"
verlangen, bevor
er mit anderen Hunden spielen darf. Gehorsam
hat nun
nicht mehr die Bedeutung
von "Spaß vorbei", sondern gehorsam zu sein wird
für den Hund
attraktiv, weil er nur über den
Gehorsam all' die schönen
Dinge des Hundelebens
erreichen kann. Außerdem: der Mensch kann so ganz
nebenbei seinen
Rang als unumstrittener Rudelführer festigen.
Aber auch
wenn der Belgier einmal
ungehorsam sein sollte, stellt er nicht gleich unsere
Führerrolle in
Frage. Die verbreitetste Ursache für
Ungehorsam ist zu
geringes Training! Man beweist
sich nicht als Chef, indem man seinen Hund
ausschimpft, körperlich
züchtigt oder zu etwas
zwingt. Zorniges und
aufbrausendes
Verhalten seines Herrn
signalisiert dem Hund eher
Unsicherheit als
Souveränität, denn nur wessen Stuhl wackelt, hat
es nötig,
sich aufzuregen.
Auf grobe und
gewaltsame Behandlung reagiert der Belgier negativ. Dann
hört er auf mit seinem
Menschen zu kommunizieren und stellt seine Ohren auf
Durchzug, macht
den Rücken steif und macht jetzt „rein gar nichts
mehr“.
Hier hilft dann nur noch:
die Situation auflösen, kurz etwas anderes machen,
dass der Hund
gut beherrscht und dann dasselbe noch einmal versuchen.
Man sollte
mit einem eigenständigen Hund
wie dem Belgier eine
„Partnerbeziehung" anknüpfen
und die Zusammenarbeit besonders fördern,
aufgrund derer
er mit Lust und Freude
seine Stellung sowie alle
Anforderungen respektiert
und erfüllt. Wichtig ist es, das
Vertrauen zu
schaffen und zu
erhalten, das der Belgier seinem Chef
entgegenbringen
möchte. Stimmen
diese Voraussetzungen, dann belohnt der Belgier
seinen
Lehrmeister
mit einer einzigartigen
Bindung und wird zu einem
Lebenspartner im wahrsten Sinne
des Wortes.
Die beste Möglichkeit
mit seinem Hund "zusammenzuwachsen" und ein Team
zu bilden, bietet der Hundesport.
Unerwünschtes Jagdverhalten
Auch hier heißt
es wieder: Wehret den Anfängen! Den
Hund vom Jagen
abzuhalten, ist
sicher das schwierigste Kapitel in der Hundeerziehung. Der
Belgier gehört
zur Rasse der Hütehunde, kann aber
auch als Schutzhund
geeignet sein, deshalb
legt man heute in der Zucht bestimmter Varietäten
Wert auf Beutetrieb. Und
Hunde aus Leistungszuchten mit starkem Beutetrieb
können der Versuchung dann
nicht widerstehen und mutieren zum "Jagdhund".
Einfach nur spazierenschlurfen
ist nichts für unsere Bonny. Auch wenn kein
Wild in der Nähe
ist, gehen plötzlich die Pferde mit ihr durch. Dann prescht
sie mit Vorliebe querfeldein
durchs Unterholz, über Stock und Stein, bergauf,
bergab. Abhänge
können gar nicht steil genug sein. Jeder
Knick wird als
Ausguck benutzt
und alles rundum wird genau im Auge behalten. Sie rennt
mit einem
solchen Tempo über Wälle,
gestapelte Holzstämme (prima
Ausguck
),
dass sie manchmal richtig atemlos wieder
bei mir eintrifft..
Es ist die pure
Lebensfreude, die Lust am schnellen Lauf, die ich ihr
ja so
gerne gönne. Diese
„Rundreisen“ sind immer nur sehr kurz. Meist dreht sie
ihre Schleifen in Sichtweite,
aber auch wenn ich sie im Wald mal
aus den
Augen verliere, ist sie
nach einer Minute mit "lachendem" Gesichtsausdruck
schon wieder da,
glücklich über das bestandene Abenteuer. Wald ist für
sie
der Hundehimmel.
Aber auch wenn der Belgier nur spielerisch
hetzt, so
finden Rehe und Jäger das
doch gar nicht lustig. Bonny weiß genau, wo Rehe
stehen und sucht dort ständig
mit hoher Nase und mit vor Unternehmungslust
blitzenden Augen. Und wenn sie
nichts findet - was soll's? Dann prescht sie
eben mitten rein
in die Dickichte und stöbert auf, was da gerade rumsteht:
Rehe, Wildschweine,
Kaninchen ... und die treibt sie dann
an Frauchen
vorbei als wolle
sie sagen: "Frauchen, schau mal, was ich wieder
Tolles
gefunden habe!"
Und Frauchen fällt das Herz
in die Hosentasche ...
Ein Belgier kann
jagen wie der Teufel - wenn er es nicht tut, umso besser,
aber es sollte doch endlich
aufgeräumt werden mit dieser Verallgemeinerung
„Belgier jagen nicht“.
Doch was immer dem Belgier
in die Wiege gelegt wurde, es liegt an uns, was
wir daraus machen. In
vielen Erziehungsbüchern wird empfohlen, den Befehl
"Komm" stärker
zu üben und durch Belohnung positiv zu belegen. Aber diese
Aufforderung wird
im Alltag viel zu oft gebraucht und nutzt sich ab. Für den
Abbruch der
Jagd braucht man ein besonderes Kommando,
dass noch
attraktiver sein
muss als Reh oder Katze. Das Umkehren muss sich lohnen!
Das erreicht man,
indem man den Gehorsam auf dieses Wort extrem stark
belohnt (z.B. mit
einer extra großen Portion Leckerchen). Bei Ungehorsam
mag beim Jagen
ausnahmsweise auch mal eine Wurfkette oder klappernde
Schreckdose notwendig
sein, um das Nachjagen noch zusätzlich zu verleiden.
Unmittelbar nach der Korrektur
gibt man dann dem Hund die Chance, etwas
Richtiges zu tun
(z.B. durch Heranrufen) und belohnt ihn
mit ein paar
Streicheleinheiten oder vielen
Leckerchen.
Trainieren kann man
den Verhaltensabbruch mit dem "Superwort", indem
man den Hund im
Spiel hinter einem Spielzeug herjagen lässt, dies aber ab
und zu (selten!)
verbietet (eventuell Leine zu Hilfe nehmen): Anfangs
den
Hund neben sich
ins "Platz", später "Sitz bleib" oder "Steh"
bringen, das
Werfen des Balls
anfangs nur vortäuschen und Nachjagen verbieten. Schon
bald kann man den Ball wirklich werfen,
ohne dass der Hund sich von
seinem Platz neben dem Hundeführer
entfernt. Dann übt man das gleiche auf
Distanz: zuerst
mit einem anderen Spielzeug, dann mit dem Ball. Gehorsam
durch Spiel belohnen,
bei Ungehorsam das Spielzeug abnehmen und nicht
spielen. Nach und
nach kann man den Ball immer provozierender werfen.
Später lässt
man den Hund einige Meter nachjagen, um plötzlich sofortiges
"Platz" zu fordern.
Erst nachdem der Hund sich "hingeschmissen" hat, gibt
man ihm die
Erlaubnis zum Erbeuten des Balls. Zum Schluss ist es
sogar
möglich, den Hund
zurückzurufen, während er dem Ball bereits
nachjagt.
Dann hat er sich einen "Jackpot"
verdient und die Chancen auf Gehorsam bei
einer Wildbegegnung steigen.
Dieses Training dauert mehrere Monate, man
braucht also etwas
Geduld und sollte den Hund nicht überfordern,
da der
Verhaltensabbruch für ihn
sehr frustrierend ist.
PS: Das mit dem "hinschmeißen"
klappt bei uns allerdings nicht so ganz. So
bewegungsfreudig Bonny
sonst beim Gassi gehen ist, sobald sie den Befehl
Platz hört,
überkommt sie eine bleierne Schwere.
Sie bleibt zwar sofort
stehen, aber dann schaut
sie sich erst mal nach allen Seiten um, als wolle sie
sagen: "Wieso denn? Was ist
denn? Wo kommt da wer?" Und dann, langsam,
gaaanz langsam nähert sie
sich dem Boden. Teilweise schwebt das Hinterteil
noch arg in
der Luft. In der Disziplin "langsames Platz machen"
hat sie
bereits den „Schneckenpokal“
erworben und verteidigt ihn jedes Jahr wieder
erfolgreich.
Vorbeugen kann man
dem unerwünschten Jagdverhalten außerdem,
indem
man sich selbst so interessant
macht, dass der Hund gar nicht erst auf dumme
Gedanken kommt.
Der Hund muss das Gefühl haben, dass
er etwas Tolles
verpassen könnte,
wenn er seinen Menschen verlässt. Also:
nicht einfach
spazieren gehen,
träumen und den Hund laufen lassen, sondern
ab und zu
gemeinsame Aktionen
einleiten, vielleicht gerade dann, wenn der
Hund
beginnt, den Abstand
zu seinem Hundeführer mehr als erlaubt zu vergrößern
oder erste
Anzeichen beginnenden Jagdverhaltens zeigt
(verharren und
wittern mit hoher Nase).
Wenn der Hund allerdings bereits hetzt, ist es meist
zu spät (Ausnahme:
Jagdabbruch mit dem "Superwort"). Die Reaktion auf
Lautzeichen wird dann
vom Jagdtrieb, der bei einem Raubtier hohe Priorität
hat, unterdrückt.
Kommen Sie dem zuvor und gestalten Sie das langweilige
Gassi gehen doch mal als spannenden
Jagdausflug (siehe unten). Überraschen
Sie Ihren Hund
immer wieder - er wird begeistert sein!! Besonders sinnvoll
ist es,
den Hund in wildreichem
Gelände mit Apportierübungen zu
beschäftigen,
die mit nachhaltigen
Belohnungen verbunden sind.
Wenn man beim Spazieren gehen
immer wieder, auch auf Distanz, ein "Platz"
fordert und anschließend
richtig Action folgen lässt, steigen die Chancen,
dass man auch bei einer Wildbegegnung
oder in einer gefährlichen Situation
die Kontrolle über den
Hund behält. Außerdem ist es für den Hund einfacher,
beim Losspurten
noch kurz im Platz zu warten als umzudrehen,
denn das
Hinlegen und Belauern
ist Teil des Jagdverhaltens, das Zurückkommen zu
seinem Herrn
dagegen nicht. Mit der
Zeit entsteht durch diese
Aufmerksamkeit zwischen
beiden Partnern so etwas wie eine "unsichtbare
Leine": Um nichts
zu verpassen, wird der Hund immer wieder zu seinem
"Mitläufer" hinschauen
und Kontakt aufnehmen, den dieser mit einfachen
Gesten wie Kopfnicken,
Lächeln, Augenzwinkern, einer kurzen Berührung
oder einigen freundlichen
Worten beantworten sollte. So fühlt sich der Hund
anerkannt, ohne dass er gleich
zum Initiator eines neuen Spiels avanciert.
~*~